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Übersetzungen – leichte Beute für die Uberisierung?

Übersetzungen – leichte Beute für die Uberisierung?

Seit 2014 hat der Begriff „Uberisierung“ einen festen Platz in unserem Sprachgebrauch. Er bezeichnet die Optimierung der Beziehung zwischen Angebot und Nachfrage unter dem Einfluss neuer Technologien. Dabei steht er für unterschiedliche Wirklichkeiten und Bedeutungen – positive wie negative – und schürt hitzige Diskussionen.

Die Befürworter der Wirtschaft 2.0 sehen darin einen begrüßenswerten Paradigmenwechsel in unserer Gesellschaft, eine wirtschaftliche Erneuerung zum Wohle aller und einen Wandel zum Vorteil der Nutzer. Kurz gesagt: eine Zäsur.

In diesem Zusammenhang geht Uberisierung auch häufig mit einer anderen Wortschöpfung einher: Gemeint ist „Disruption“ und die dazu gehörigen Ableitungen wie „disruptiv“ oder „Disruptor“1. Wer gern Kreuzworträtsel löst, mag sich dafür begeistern. Wer aber beruflich mit Sprache zu tun hat, runzelt die Stirn über einen weiteren Anglizismus. Bietet die Sprache der Dichter und Denker hierfür wirklich keinen eigenen, positiv besetzten Begriff? Ich fürchte, nein. Denn im Englischen hat der Begriff „disruption“ nicht zwingend etwas Störendes oder Verunsicherndes: Er bezeichnet lediglich eine kreative, originelle, positive, umwälzende Neuerung.

Seit einigen Jahren beobachten wir junge Unternehmen (die berühmten „Start-ups“), die dank der von ihnen entwickelten digitalen Werkzeuge bestimmte Märkte verändern, innovative Dienstleistungen anbieten und dadurch Systeme zerschlagen, die bis dahin als unverrückbar galten. Seither ist jeder Unternehmer, der auf sich hält, auf der Suche nach einer „disruptiven“ Idee, die radikal mit der Vergangenheit bricht und diesen oder jenen Markt zu seinem Vorteil umwandelt.

Natürlich werden die angeblichen Vorteile dieses geänderten Wirtschaftsmodells nicht von allen begrüßt. Da sind zunächst die Vertreter der herkömmlichen Wirtschaft. Fragen Sie doch mal Ihren Taxifahrer, was er davon hält! Unlauterer Wettbewerb, unqualifizierte und nicht angemeldete Arbeitskräfte, Prekarisierung der Arbeitswelt, ganz zu schweigen von den Einnahmen, die dem Staat entgehen, was Auswirkungen auf unser gesamtes Sozialsystem hat.

Deshalb sollten Sie sich lieber nicht dem Zorn eines Taxifahrers aussetzen. Fragen Sie einfach Ihre Kolleginnen und Kollegen. Denn die Uberisierung macht auch vor Übersetzungen nicht halt.

Es sei zunächst daran erinnert, dass „Übersetzer“ keine geschützte Berufsbezeichnung ist. Jedermann und jedefrau kann sich einfach als „Übersetzer“ oder „Dolmetscherin“ bezeichnen. Das führt dazu, dass sich im Markt unzureichend qualifizierte Dienstleister breit machen – mit allen Konsequenzen für die Qualität der Übersetzungen, für das Berufsbild und für die Preise2. Hinzu kommt der häufig erwähnte Druck (um nicht zu sagen: die Bedrohung) durch die technische Entwicklung, auf den ich hier nicht erneut näher eingehen will. Ganz zu schweigen von den „Uberisierungs“-Plattformen, die den Kontakt zwischen Endkunden und kleinen Freiberuflern ermöglichen, welche sich ein Zubrot verdienen möchten (Es gibt genug Beispiele: Zingword, upwork und sogar Proz.com).

Andere Anhänger der Uberisierung glauben, in diesem Geschäftsmodell ein geniales Mittel zu finden, mit dem sie über Crowdsourcing3 (auch „Schwarmauslagerung“ genannt) ihre Produktionskosten senken können. Bevorzugtes Ziel ist die audiovisuelle Übersetzung. Bekanntestes Beispiel ist zweifelsohne Netflix, das wegen der katastrophalen Untertitelung des Films „Roma“4 insbesondere vom französischen Berufsverband ATAA5 angeprangert wird. Das ist jedoch beileibe kein Einzelfall, wie der Blogbeitrag einer Übersetzungsstudentin der Universität Lille zeigt. Mit naivem Enthusiasmus singt sie das Hohelied der ehrenamtlichen (ja, Sie lesen richtig!) Arbeit für TED Conferences LLC6, ein Unternehmen, dessen Umsatz 2015 immerhin 66 Mio. USD beträgt.7 Sagten Sie gerade „sich ins eigene Knie schießen“? Aber lassen wir das. Weitere bekannte Beispiele sind Facebook, Twitter und Coursera.

Was also können wir tun, um diese Flut einzudämmen? Sollen wir den Kampf gegen die Uberisierung aufnehmen? Da bin ich mir nicht so sicher. Auch wenn diese Entwicklung unausweichlich, ja, sogar beängstigend scheint, so muss man dennoch nicht wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen. Ich empfehle stattdessen einen mehrgleisigen Ansatz:

Erstens: Verfolgen Sie diese Trends aufmerksam, damit Sie Ihre Kunden und Geschäftspartner besser über die neuesten Entwicklungen informieren können. Versuchen Sie, das Räderwerk der Netflixisierung besser zu verstehen, um Ihren Mehrwert stärker herausstellen zu können. Ich bin kein Fachmann für die Kunst des Krieges, weiß jedoch, dass es hilfreich ist, den Feind zu kennen, wenn man ihn besiegen will.

Zweitens: Leisten Sie unter allen Umständen qualitativ hochwertige Arbeit. Verfeinern Sie Ihre Qualitäten als Texter. Arbeiten Sie an Ihrem Stil. Nehmen Sie an Übersetzungsworkshops teil. Arbeiten Sie im Tandem mit einem Kollegen oder einer Kollegin. Lassen Sie Ihre Texte Korrektur lesen. Suchen Sie sich einen Mentor. Nur mit einer gewissen Demut angesichts der eigenen Arbeit kann man Fortschritte machen und sich weiterentwickeln. Pflegen Sie Ihre Fähigkeiten wie ein Handwerker sein Werkzeug: regelmäßig, geduldig und gründlich.

Drittens: Hocken Sie nicht in Ihrem Büro wie im Elfenbeinturm herum. Warum nicht draußen neue Kunden finden, die dringend gute Übersetzer suchen? (Ja, es gibt sie!) Beweisen Sie Ihnen, dass Sie besser sind als die unsichtbare Masse von Dilettanten. Bilden Sie sich ständig weiter und halten Sie den Wert gut gemachter Arbeit hoch.

Kurz gesagt: Stellen Sie Ihre Professionalität unter Beweis.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen einen schönen, erholsamen Urlaub. Entspannen Sie sich und schöpfen Sie neue Kraft, damit Sie nach dem Urlaub voller Überzeugung von Ihrem eigenen Wert wieder durchstarten können. Und dabei ist es völlig egal, ob Sie im Wald zelten, im 5-Sterne-Hotel am Meer logieren oder sich ein Apartment mieten … über Airbnb.

Guillaume Deneufbourg
President CBTI-BKVT

Übersetzung: Gabriele François


1 Disruptor: eine Person oder ein Unternehmen, die bzw. das durch Einführung einer disruptiven Innovation in den Markt diesen grundlegend verändern will. (Quelle: Wikipedia)
2 Siehe dazu den Beitrag desselben Autors in der Zeitung „Le Soir“ anlässlich des internationalen Tages des Übersetzens (auf Französisch).
3 https://termcoord.eu/2017/04/is-crowdsourcing-translation-a-threat-or-an-opportunity-for-the-audiovisual-market (auf Englisch)
4 https://beta.ataa.fr/blog/article/le-sous-titrage-francais-de-roma (auf Französisch)
5 ATAA = Verband der Übersetzer und Autoren im audiovisuellen Bereich
6 https://mastertsmlille.wordpress.com/2019/06/30/etre-traductrice-benevole-pour-ted (auf Französisch)
7 https://fortune.com/2017/04/24/ted-talks-conference-corporate-sponsorship (auf Englisch)